Das BORG Guntramsdorf nimmt an einer Yad Vashem – Onlineveranstaltung anlässlich des internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust teil
„Als Sie zu den Gruben dort im Wald kamen, was fühlten Sie dort?“
„Ein unbestimmtes Gefühl hatten wir im Bauch, wir wussten nichts. Einerseits sah ich die Leichen dort unten, andererseits erhielt ich die gesamte Zeit Schläge und Beschimpfungen vom Capo der SS. Das Gebell der Hunde. Das war die Hölle auf Erden. Wenn es eine Hölle nach dem Tode gibt, dann, so denke ich, sieht sie genau so aus. Das war die Hölle, genau, die Hölle. Das ist keine Sache von Glauben oder Nichtglauben. Ein Mensch, der da mitten in Birkenau ist, weiß selbst nicht, versteht nicht, wie das geschehen konnte.“
So beginnt die Lesung des österreichischen Schauspielers Karl Markovics aus Gideon Greifs Buch „Wir weinten tränenlos“. Es beinhaltet Interviews mit sieben Zeitzeugen, die im KZ Auschwitz-Birkenau in den so genannten „Sonderkommandos“ zur Arbeit in den Gaskammern und Krematorien gezwungen wurden. Eine gute halbe Stunde liest Markovics die schockierenden und ungeschönten, nüchtern niedergeschriebenen Berichte aus dem Alltag des Überlebenden Shaul Chasan. Ob er irgendwann dem Anblick der geöffneten Gaskammer gegenüber gleichgültig wurde, möchte der Interviewer im Lauf des Gesprächs wissen. Chasan antwortet: „Ich war damals überhaupt kein Mensch. Wenn ich ein Mensch gewesen wäre, hätte ich keinen Moment ausgehalten. Wir hielten aus, denn wir waren keine Menschen.“
Insgesamt nahmen etwa 1.500 Schülerinnen und Schüler sowie Studierende aus ganz Österreich live an der Veranstaltung des Vereins „Friends of Yad Vashem in Austria“ teil, auch 25 Schülerinnen und Schüler des BORG Guntramsdorf. Anlass war der internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, welcher jährlich am Tag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau, nämlich dem 27. Januar, stattfindet.
Im Anschluss an die ergreifende Lesung, die auch in Gebärdensprache übersetzt wurde, konnten einige Jugendliche Fragen an Karl Markovics stellen und mit ihm in eine Diskussion einsteigen – Wieso hat er gerade diesen Text ausgewählt? Wie ging man in seiner Jugend mit dem Thema um? Weshalb ist Holocaustbildung gerade heute so wichtig? Der Schauspieler nahm sich ausführlich Zeit, um alle Fragen zu beantworten und gab noch einmal ganz persönliche Einblicke in seine Erfahrungen mit dem Thema Nationalsozialismus und Holocaust. (Bildquelle: YouTube.com)
Für ihn ist klar, warum gerade heute, fast 80 Jahre nach den Ereignissen in Auschwitz, Bildungsangebote und Gedenkveranstaltungen zum Thema Holocaust so wichtig sind: „Beim Gedenken geht es nicht um Schuld oder schuldig fühlen. Es geht um erinnern, um nicht zu wiederholen.“
Nach dieser einmaligen Online-Gedenkveranstaltung wurde das Gehörte noch einmal intern reflektiert. Gedanken wurden zur Sprache gebracht, Eindrücke verarbeitet.
Das Thema Holocaust – auch Shoah (hebr. Katastrophe) – ist heute bereits so fern, dass man es sich immer wieder bewusst machen muss. Die Menschen sagten nach dem Krieg, sie hätten zwar schon gewusst, dass man „die Juden“ wegbrachte. Aber mit welcher kalten und effizienten Grausamkeit hier eine Todesindustrie aufgebaut wurde, deren einziger Zweck die Vernichtung von Leben war, das hätten sie sich nicht vorstellen können. Diese „Ausrede“ – so erklärt auch Markovics in der Diskussion – soll nie wieder möglich sein. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass sich jede weitere Generation mit diesem schwierigen Thema beschäftigt.
Daher sollen einige Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler unserer Schule den Bericht abrunden: „Ich fand es gut, wie die Veranstaltung so offen und ehrlich mit dem Thema umging, ohne uns Scham oder Schuld aufzudrängen.“ „Es war zwar schockierend, aber die Textstellen regten zum Nachdenken an: Wie konnte es nur so weit kommen und wieso gibt es heute noch immer Menschen, die das Geschehene verleugnen?“ „Besonders prägend ist für mich der Satz ‚wir waren keine Menschen‘. In Auschwitz hatten Menschen keinen Platz, sie waren Objekte, die man wegwirft.“ „Gerade heute, wo im Internet so viele Falschinformationen kursieren und es kaum noch Zeitzeugen gibt, ist es ganz wichtig, möglichst nahe Erfahrungen mit dem Thema zu machen.“ „Klar wusste ich, dass damals schlimme Sachen passiert sind. Aber erst durch die Konfrontation kann ich mir das schreckliche Ausmaß wirklich vorstellen.“
Die Lesung inkl. Diskussion kann über den Link https://www.youtube.com/watch?v=zIEUXgYdCxY nachgesehen/nachgehört werden.